Ein vom Bundesgerichtshof kürzlich entschiedener Fall (Urteil vom 04.05.2018, V ZR 163/17) zeigt, dass bei Gebäudeteilen mit mehreren Funktionen, hier einer Dachterrasse, auch nach Abgrenzung von Gemeinschaftseigentum einerseits, Sondereigentum andererseits je nach Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung oftmals nicht auf Anhieb klar ist, wer die Kosten einer Sanierung zu tragen hat. Anders formuliert: Es gibt Fallkonstellationen, in denen der Sondereigentümer für die Sanierung von Teilen des Gemeinschaftseigentums aufkommen muss.
Worum ging es?
Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft stritten über die Kosten der Sanierung einer Dachterrasse.
In der Teilungserklärung heisst es:
§ 2
1) Gegenstand des Sondereigentums sind
a) die in § 1 bezeichneten Räume,
b) die … innerhalb und außerhalb dieser Räume befindlichen Einrichtungen und Anlagen, soweit sie nicht dem gemeinschaftlichen Gebrauch, sondern nur einem Sondereigentum zu dienen bestimmt sind.
…
§ 6
Instandhaltung und Versicherung
1) a) Jeder Wohnungseigentümer hat sein Sondereigentum auf seine Kosten instandzuhalten und instandzusetzen. …
b) Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z. B. Balkon, Loggia) sind von ihm auf seine Kosten instandzuhalten und instandzusetzen.
An einer Dachterrasse einer Wohnung im Dachgeschoss traten Schäden an Bauteilen auf, die Teil des Gemeinschaftseigentums sind. In einer Eigentümerversammlung beschlossen die Wohnungseigentümer auf der Grundlage eines Kostenangebots eines Fachunternehmens die Sanierung der Terrasse. Auch beschlossen sie, dass deren Kosten der Sondereigentümer der Dachgeschosswohnung zu tragen habe.
Der betroffene Sondereigentümer erhob hiergegen Beschlussanfechtungsklage u. a. mit der Begründung, die Dachterrasse diene keinesweg seinem ausschließlichen Gebrauch, da sie gleichzeitig das Dach der darunterliegenden Wohnung sei. Bautechnisch ist hieran zwar richtig, dass eine Dachterrasse funktional die Anforderungen an ein Flachdach zu erfüllen hat. Dennoch entschied der BGH gegen den Sondereigentümer.
Der Leitsatz des Urteils lautet:
Eine Regelung in der Teilungserklärung, wonach Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z.B. Balkon, Loggia), auf dessen Kosten instandzuhalten und instandzusetzen sind, ist nächstliegend dahin auszulegen, dass sie auch einzelnen Wohnungen zugeordnete Terrassen im Dach der Anlage erfasst und dass sie die Instandsetzung sowohl der im Sonder- als auch der im Gemeinschaftseigentum stehenden Teile solcher Terrassen betrifft (Fortführung von Senat, Urteil vom 16. November 2012, V ZR 9/12, NJW 2013, 681).
Der BGH erläutert in den Entscheidungsgründen, dass und warum hier trotz zumindest teilweiser Zugehörigkeit des Gebäudeteils „Dachterrasse“ zum Gemeinschaftseigentum letztlich doch der Sondereigentümer die gesamten Kosten der Sanierung tragen muss – eben wegen der hier getroffenen Regelung in Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung:
1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Nach der gesetzlichen Regelung der Kostenverteilung in § 16 Abs. 2 WEG hätte sich der Kläger an den Kosten der beschlossenen Sanierung der im Gemeinschaftseigentum stehenden konstruktiven Teile seiner Dachterrasse nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil zu beteiligen. Die Dachterrasse gehört zwar nach § 1 und § 2 Nr. 1 der Teilungserklärung, was mit ähnlichen Einschränkungen wie bei Balkonen rechtlich möglich ist (Senat, Urteil vom 18. November 2016 – V ZR 49/16, ZfIR 2017, 409 Rn. 8), zum Sondereigentum des Klägers. Das betrifft aber nur die nichtkonstruktiven Teile der Dachterrasse. Deren konstruktive Teile bleiben nach § 5 Abs. 2 WEG ungeachtet der Zuweisung der Dachterrasse zum Sondereigentum des Klägers gemeinschaftliches Eigentum. Ihre Sanierung ist deshalb an sich Aufgabe der Wohnungseigentümer, die sich nach § 16 Abs. 2 WEG entsprechend ihren Miteigentumsanteilen an den Kosten zu beteiligen hätten.
2. Der Kläger hat die Kosten der beschlossenen Sanierung aber aufgrund einer von der Vorschrift des § 16 Abs. 2 WEG abweichenden Bestimmung in der Teilungserklärung allein zu tragen. Eine solche Abweichung ist nach § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG zulässig und entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts in § 6 Nr. 1 Buchstabe b der Teilungserklärung enthalten.
a) An die Auslegung dieser Regelung durch das Berufungsgericht ist der Senat nicht gebunden. Die Teilungserklärung ist Bestandteil der Grundbucheintragung; ihre Auslegung unterliegt daher vollen Umfangs der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr., vgl. etwa Senat, Urteil vom 10. November 2017 – V ZR 184/16, ZWE 2018, 124 Rn. 14). Bei der gebotenen objektiven Auslegung kommt es maßgebend darauf an, wie die Teilungserklärung nach Wortlaut und Sinn für einen unbefangenen Betrachter nächstliegend zu verstehen ist. Umstände außerhalb der Teilungserklärung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. Senat, Urteile vom 10. Oktober 2014 – V ZR 315/13, BGHZ 202, 346 Rn. 8 und vom 20. November 2015 – V ZR 284/14, BGHZ 208, 29 Rn. 9). Dabei müssen Abweichungen von der gesetzlichen Verteilung der Aufgaben, Kompetenzen und Kosten klar und eindeutig aus der Teilungserklärung hervorgehen (vgl. Senat, Urteile vom 2. März 2012 – V ZR 174/11, NJW 2012, 1722 Rn. 7 und vom 23. Juni 2017 – V ZR 102/16, ZWE 2017, 367 Rn. 14 mwN).
b) Auf dieser Grundlage ist die in § 6 Nr. 1 Buchstabe b der Teilungserklärung getroffene Regelung, wonach Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß der Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z. B. Balkon, Loggia), auf dessen Kosten instandzuhalten und instandzusetzen sind, dahin auszulegen, dass sie auch einzelnen Wohnungen zugeordnete Terrassen im Dach der Anlage erfasst und dass sie die Instandsetzung sowohl der im Sonder- als auch der im Gemeinschaftseigentum stehenden Teile solcher Terrassen betrifft.
aa) Die Verpflichtung, die Kosten der Instandsetzung einzelner Einrichtungen, Anlagen oder Teile des Gebäudes allein zu tragen, trifft den Wohnungseigentümer nach § 6 Nr. 1 Buchstabe b der Teilungserklärung nicht nur bei den als Anwendungsbeispielen ausdrücklich genannten Balkonen und Loggien, sondern auch bei allen anderen Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteilen, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß der Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch den Wohnungseigentümer bestimmt sind.
(1) Was unter einem in diesem Sinne „ausschließlichen Gebrauch“ zu verstehen ist, lässt sich nicht begrifflich klären. Zwar spricht der Begriff des Gebrauchs, wie das Amtsgericht richtig gesehen hat, in erster Linie den Nutzen und den Vorteil aus dem Besitz der Sache an (OLG Hamburg, MDR 1953, 613, 614; Staudinger/Stieper, BGB [2017], § 100 Rn. 2). Er wird aber in Vorschriften ganz unterschiedlichen Inhalts verwendet (vgl. etwa §§ 100, 743und 745 BGB, § 13 WEG) und ist letztlich so auszulegen, wie es dem Sinn und der Funktion der Vorschrift, in der er verwendet wird, entspricht. Darauf kommt es auch bei der Auslegung von § 6 Nr. 1 Buchstabe b der Teilungserklärung an.
Der Sinn einer solchen Regelung in der Teilungserklärung liegt bei den – auch hier ausdrücklich genannten – Balkonen darin, dass die übrigen – von der Nutzung der Balkone ausgeschlossenen – Wohnungseigentümer von der Verpflichtung zur Instandhaltung und Instandsetzung aller Balkonteile befreit sein sollen, weil es sich dabei um eine Sonderausstattung der betreffenden Wohnung handelt und die damit verbundenen Lasten bei einer Bauweise ohne Balkone nicht angefallen wären (für eine vergleichbare Klausel Senat, Urteil vom 16. November 2012 – V ZR 9/12, NJW 2013, 681 Rn. 9). Das ist bei Terrassen im Dach der Anlage, um deren Instandsetzung es hier geht, nicht anders. Auch bei deren Einbau entstehen Lasten, die bei einer Bauweise ohne Dachterrassen nicht anfallen würden. Eine in das Dach des Hauses eingelassene Terrasse ist eine Sonderausstattung der Dachgeschosswohnung, der sie zugeordnet ist. Sie soll dem Sondereigentümer – ähnlich wie ein Balkon oder eine Loggia – neben anderen Vorteilen wie der Ausstattung mit großzügigeren Fenstern vor allem die Möglichkeit bieten, im Freien zu sitzen, ohne das Gebäude verlassen zu müssen (sog. Freisitz). Ein solcher Freisitz kann im Dach der Anlage nur geschaffen werden, wenn die an sich geschlossene Dachfläche mit einem Einschnitt versehen und der dadurch der Witterung ausgesetzte Teil der Dachplatte durch eine diesem Zweck entsprechende, tendenziell indessen störungsanfälligere Gestaltung der Terrassenfläche – nämlich durch den zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Unterbau auf der Dachplatte und den hier zum Sondereigentum gehörenden Terrassenbelag – und die Auskleidung der Terrasse gegen Witterungseinflüsse geschützt wird. Diese zusätzlichen Maßnahmen entfielen bei einer Bauweise ohne Dachterrasse; es genügte die nicht eingeschnittene Dachfläche. Sie sind Voraussetzung dafür, dass mit der Terrasse im Dach ein Freisitz geschaffen werden kann und die mit dieser Sonderausstattung verbundenen Gebrauchsmöglichkeiten entstehen. Für die Frage nach dem ausschließlichen Gebrauch einer solchen Terrasse kommt es deshalb darauf an, wer Zugang zu ihr hat.
(2) Das ist hier allein der Kläger. Die zu sanierende Terrasse an der Vorderseite der Wohnung ist nach § 1 der Teilungserklärung Teil seines Sondereigentums und unterliegt schon deshalb nicht dem Mitgebrauch anderer Wohnungseigentümer.
bb) § 6 Nr. 1 Buchstabe b der Teilungserklärung ist nächstliegend weiter so zu verstehen, dass Eigentümer von Wohnungen, die mit einer Terrasse im Dach der Anlage ausgestattet sind, nicht nur für die Kosten der Sanierung der in ihrem Sondereigentum stehenden Teile der Terrassen aufkommen müssen, sondern auch für die Kosten der Sanierung der in Gemeinschaftseigentum stehenden Teile. Eine Beschränkung auf den nichtkonstruktiven Teil der Terrasse, vor allem den Terrassenbelag, lässt sich dem klaren Wortlaut der Klausel nicht entnehmen (so zu vergleichbaren Klauseln Senat, Urteile vom 16. November 2012 – V ZR 9/12, NJW 2013, 681 Rn. 8 f. und vom 16. September 2016 – V ZR 3/16, ZWE 2017, 99 Rn. 25; vgl. auch Senat, Urteil vom 2. Oktober 2015 – V ZR 5/15, ZfIR 2016, 29 Rn. 16). Aus dem Umstand, dass die Dachterrassen zum Sondereigentum der mit ihnen ausgestatteten Wohnungen gehören und jeder Wohnungseigentümer sein Sondereigentum nach § 6 Nr. 1 Buchstabe a der Teilungserklärung ohnehin auf seine Kosten instandzusetzen hat, folgt im Gegenteil, dass mit der Regelung in § 6 Nr. 1 Buchstabe b der Teilungserklärung gerade die Kosten einer Instandsetzung der zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Teile solcher Terrassen erfasst werden sollen.
cc) Inhaltliche Einwände gegen die so verstandene Abweichung von der gesetzlichen Kostenverteilung bestehen nicht. Das Wohnungseigentumsrecht lässt den Wohnungseigentümern weitgehend freie Hand, wie sie ihr Verhältnis untereinander ordnen wollen (Senat, Urteil vom 13. Oktober 2006 – V ZR 289/05, WM 2006, 2374 Rn. 15). Der privatautonome Gestaltungsspielraum der Wohnungseigentümer bzw. des teilenden Eigentümers wird durch eine Regelung, wie sie in § 6 Nr. 1 Buchstabe b der Teilungserklärung vorgesehen ist, nicht überschritten (für eine vergleichbare Regelung Senat, Urteil vom 16. November 2012 – V ZR 9/12, NJW 2013, 681 Rn. 9 a.E.).
FAZIT: Der Weg zur Entscheidung führt in solchen Fällen über eine sorgfältige Analyse zunächst des Sachverhalts (Was genau soll bautechnisch geschehen?) und des Inhalts der Teilungserklärung (Was ist dort zur Abgrenzung von Gemeinschafts- und Sondereigentum geregelt? Gelten Besonderheiten je nach Nutzung von Gebäudeteilen?). Die Teilungserklärung bedarf oftmals der Auslegung, dies orientiert an den Vorgaben des Wohnungseigentumsgesetzes.