Die Rechtsfindung in Ämtern und bei Gericht endet nicht immer „gerecht“, weil es dort keine absolute, sondern nur die mit prozessualen Mitteln zustande gekommene „Wahrheit“ gibt (F. v. Schirach, 2009).
Nicht jeder, der einen Anspruch hat, dringt mit ihm durch.
Das kann daran liegen, dass man den je nach Lage gebotenen Vortrag nicht substantiieren kann und/oder beweisfällig bleibt, wenn sich etwa der benannte Zeuge nicht (mehr) erinnert.
Oder man scheitert schon an der Hürde von „Form und Frist“.
Hierzu aber ein positives Beispiel aus eigener Praxis, und zwar zum Härteausgleich für Straßenausbaubeiträge
Nach Art. 19a Abs. 6 BayKAG hat jeder Antragsteller bei der Ermittlung des Sachverhalts sowohl im Rahmen der Bewilligung als auch einer etwaigen späteren Überprüfung mitzuwirken und geforderte Unterlagen oder Nachweise beizubringen, wozu die Kommission (mit Sitz in Würzburg) jeweils angemessene Fristen setzen kann, weshalb ein Antrag dann ohne weitere Prüfung abgelehnt oder eine bereits erteilte Bewilligung widerrufen oder zurückgenommen wird, wenn der Antragsteller seiner Mitwirkungspflicht nicht fristgerecht nachkommt.
Was aber, wenn der Antragsteller nur den Hinweis bekam, einen „aktuellen Eigentumsnachweis“ vorzulegen und das so pünktlich wie inhaltlich zutreffend geschah, es jedoch an der bloßen Datierung dieses Nachweises (der Heimatgemeinde) fehlte? Die besagte Härtefallkommission lehnte den Antrag ohne jede Rückfrage mehr als ein Jahr später genau deshalb ab.
Mit der Klage wurde dann geltend gemacht, dass in Anlehnung an die Auslegungsgrundsätze des Bestimmtheitsgebots (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) sich die Anforderung eines (aktuellen) Eigentumsnachweises nicht auch auf einen Aktualitätsnachweis bezog. Außerdem ist die Ratio der KAG-Novelle, dass Belastungen aufgrund Abschaffung des (bezahlten) Beitrags zur Gleichbehandlung, Art. 3 Abs. 1 GG, ausgeglichen werden sollen (vgl. LT-Drs. 18/1552, S. 3 f.). Daran muss sich das Verfahren messen, die Handhabbarkeit darf kein Mittel zum Zweck sein. Sonst wird die „Härte“ nur perpetuiert.
Dem folgte das VG München im Urteil vom 20.03.2024 – M 28 K 22.2220. Es verpflichtete den beklagten Freistaat Bayern – vertreten durch die Härtefallkommission für Straßenausbaubeiträge – zur Neubescheidung (die dann auch am 22.04.2024 in voller Höhe von über EUR 9.000 erfolgte). Denn:
„Die Belehrung über die Folgen der Versäumnis der behördlich gesetzten Frist (…) geht in denjenigen Fällen ins Leere, in denen keine Pflichtverletzung hinsichtlich des Erkennens der Unvollständigkeit vorliegen konnte.“
Ein Sieg also der materiellen Gerechtigkeit über behördlichen Formalismus.