Austausch gegen Parkett, Laminat, Keramikfliesen, Feinsteinzeug oder Naturstein, harter statt weicher Bodenbelag – muss man dabei auf den Trittschallschutz achten?
Der standardmäßig eingebaute Bodenbelag war in vielen von Bauträgern errichteten Eigentumswohnanlagen oftmals ein Teppichboden (im norddeutschen Sprachraum gerne auch als „Auslegware“ bezeichnet). Solche textilen Bodenbeläge hatten und haben neben Kostenvorteilen einen weiteren Vorteil: Der Trittschall wird gedämmt. Trittschall ist physikalisch eine Erscheinungsform von Körperschall. Wenn Fußböden begangen werden oder Möbelstücke bewegt werden (z. B. Rücken von Stühlen), entsteht Trittschall. Je nach Art des Oberbelags und sonstigen Merkmalen des Bodenaufbaus kann sich solcher Trittschall störend in angrenzenden Wohnungen bemerkbar machen, typischerweise in der darunterliegenden Wohnung. Wenn nun ein Wohnungseigentümer einen solchen Teppichboden, weil dieser in die Jahre gekommen ist oder nicht mehr den aktuellen ästhetischen Vorstellungen entspricht, austauscht gegen einen „harten“ Bodenbelag, erhöht sich das Maß an Trittschall, weil die dämmende Wirkung des Teppichbodens entfallen ist. Kurzum: Wer anstelle eines Teppichbodens Parkett, Laminat, Keramikfliesen, Feinsteinzeug oder Naturstein verlegen lässt, sorgt auf Dauer für mehr Lärm in der Wohnanlage. Zwischen den Nutzern der einzelnen Wohnungen kann es nun zu Konflikten kommen, denn des einen Freud (schickes Parkett, hübsch anzusehen) ist des anderen Leid („Mein Nachbar trampelt mir auf dem Kopf herum“). Wie ist nun wohnungseigentumsrechtlich mit einem derartigen Konflikt umzugehen? Der rechtliche Ausgangspunkt ist zunächst eindeutig: Jeglicher Fußbodenbelag unabhängig von dessen Art (also: egal, ob „weich“ oder „hart“) steht im Sondereigentum des einzelnen Wohnungseigentümers. Dies wird z. B. im Beschluss des BayObLG vom 17.12.1993, 2Z BR 105/93, näher erläutert. Genauso eindeutig ist, dass die unter dem Oberbelag vorhandenen Teile der Bodenkonstruktion (also: Estrich samt – hoffentlich vorhandener – Trittschalldämmung sowie ggf. weitere Dämmstofflagen) Gemeinschaftseigentum sind (hierzu: BGH, Urteil vom 06.06.1991, VII ZR 372/89; OLG Hamm, Beschluss v. 13.08.1996, 15 W 115/96). Somit ist zunächst klar: Die Wohnungseigentümergemeinschaft geht es zunächst einmal nichts an, welchen Bodenbelag der einzelne Wohnungseigentümer bevorzugt.
Aber wie ist damit umzugehen, wenn sich andere Wohnungseigentümer durch den verringerten Trittschallschutz gestört fühlen und der dadurch entstehende Unmut auch nachvollziehbar ist, weil entsprechende Messwerte vorliegen?
Im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander gilt ein generelles Gebot der Rücksichtnahme
Hierzu:
§ 14 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz – WEG):
Pflichten des Wohnungseigentümers
(1) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet,
- die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse einzuhalten und
- das Betreten seines Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum zu dulden, die den Vereinbarungen oder Beschlüssen entsprechen oder, wenn keine entsprechenden Vereinbarungen oder Beschlüsse bestehen, aus denen ihm über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst.
(2) Jeder Wohnungseigentümer ist gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet,
- deren Sondereigentum nicht über das in Absatz 1 Nummer 2 bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen und
- Einwirkungen nach Maßgabe des Absatzes 1 Nummer 2 zu dulden.
(3) Hat der Wohnungseigentümer eine Einwirkung zu dulden, die über das zumutbare Maß hinausgeht, kann er einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen.
Durch erhöhten Trittschall beeinträchtigte Wohnungseigentümer haben deshalb einen mit § 1004 BGB i. V. m. §§ 14, 15 WEG zu begründenden Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch gegen den störenden Wohnungseigentümer. Der schallschutztechnische Maßstab ergibt sich in solchen Fällen aus den Grenzwerten der aktuell geltenden DIN 4109 – unabhängig davon, wann das betroffene Gebäude errichtet wurde, auf das Baujahr kommt es nicht an. Auch kann der Wohnungseigentümer, von dessen Sondereigentum nach Wechsel des Bodenbelags („hart“ statt – wie zuvor- „weich“) der störende Trittschall ausgeht, nicht etwa den „Schwarzen Peter“ an die Wohnungseigentümergemeinschaft weiterreichen: Das denkbare Argument, dass die „eigentliche“ Ursache des störenden Trittschalls im Gemeinschaftseigentum stehende Bauteile seien, weil der Bodenaufbau konstruktive Mängel habe (z. B. fehlende Trittschalldämmlage), verfängt nicht. Es bleibt also dabei: Wer den Bodenbelag verändert, muss das Interesse der anderen Wohnungseigentümer an einem möglichst hohen Maß an Trittschalldämmung wahren.
Der BGH hat sich hierzu in seiner Pressemitteilung Nr. 082/2020 zu seinem Urteil vom 26. Juni 2020 – V ZR 173/19 sehr prägnant geäußert. Die Fundstelle ist hier abzurufen.
Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass ein Wohnungseigentümer von einem anderen Wohnungseigentümer, der in seiner Wohnung den Bodenbelag ausgetauscht hat (Fliesen statt Teppichboden), die Einhaltung der schall-schutztechnischen Mindestanforderungen nach der DIN 4109 auch dann verlangen kann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und ohne diesen Mangel der Trittschall den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche.
Sachverhalt:
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnung des Klägers befindet sich im zweiten Obergeschoss des 1962 errichteten Hauses, die Wohnung des Beklagten in dem darüber liegenden Dachgeschoss. Dieses war 1995 zu Wohnraum ausgebaut und mit Teppichboden ausgestattet worden. 2008 ließ der Beklagte den Teppichboden durch Fliesen ersetzen. Der Kläger macht geltend, seitdem komme es in seiner Wohnung zu unzumutbaren Lärmbelästigungen durch Trittschall. Ein im Jahr 2013 von der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft in Auftrag gegebenes Gutachten ergab, dass die Trittschalldämmung der Wohnungstrenndecke mit dem Fliesenbelag nicht den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspricht.
Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten, wieder Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag mit einem Trittschallverbesserungsmaß von mindestens 15 dB zu verlegen, hilfsweise durch geeignete Maßnahmen einen Normtrittschallpegel des Fußbodens von = 53 dB herzustellen.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Amtsgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Das Landgericht hat das Urteil geändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dem Hilfsantrag stattgegeben.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten zurückgewiesen.
Rechtlicher Maßstab für die zwischen den Wohnungseigentümern hinsichtlich des Schallschutzes bestehenden Pflichten ist § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen, wozu auch der Oberbodenbelag gehört, nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Ein solcher Nachteil ist dem Kläger infolge des Austauschs des Bodenbelags in der Wohnung des Beklagten entstanden.
Der im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zu gewährende Schallschutz richtet sich nach der DIN 4109, wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt und dabei nicht in den unter dem Belag befindlichen Estrich und die Geschossdecke eingegriffen wird. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums mangelhaft ist und der Trittschall ohne diesen Mangel den schallschutztechnischen Mindestanforderungen entspräche. Zwar muss der Schallschutz in erster Linie durch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile gewährleistet werden, insbesondere durch die Art und den Aufbau der Geschossdecke und des Estrichs. Daraus folgt aber nur, dass das mittels der im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile bislang erreichte Schallschutzniveau bei Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum im Prinzip erhalten bleiben muss und jedenfalls nicht signifikant verschlechtert werden darf. Das ändert nichts daran, dass der Wohnungseigentümer nach § 14 Nr. 1 WEG gehalten ist, insbesondere bei der Änderung des Bodenbelags darauf zu achten, dass die durch die DIN 4109 vorgegebenen schallschutztechnischen Mindestanforderungen eingehalten werden.
Anders kann es sein, wenn bei einer mangelhaften Trittschalldämmung des Gemeinschaftseigentums der Wohnungseigentümer keine zumutbare Abhilfemöglichkeit hat. Solange er aber mit zumutbaren Maßnahmen an seinem Sondereigentum die Mindestanforderungen an den Trittschallschutz einhalten kann, wie etwa durch die Verlegung eines schalldämpfenden Teppichbodens oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags, kann der andere Wohnungseigentümer gemäß § 1004 BGB und § 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG von ihm die Beseitigung der Beeinträchtigungen seines Wohneigentums verlangen.
So ist es hier. Der Trittschallpegel überschreitet die maßgeblichen Grenzwerte der DIN 4109 in der Ausgabe von 1989 von 53 dB um 14 dB. Mit dem Fliesenbelag beträgt der Trittschallpegel 66 bis 67 dB. Dem Beklagten ist die Einhaltung der Mindestanforderungen an den Trittschall auch zumutbar. Er kann dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch vergleichsweise einfache Maßnahmen erreichen, nämlich durch die Verlegung eines Teppichbodens oder die Anbringung eines zusätzlichen Bodenbelags auf die bestehenden Fliesen. Welche Maßnahme er ergreift, bleibt ihm überlassen. Demgegenüber ist die Ertüchtigung des Gemeinschaftseigentums aufwändiger und mit weitaus höheren Kosten verbunden.
Fazit
Jeder Wohnungseigentümer sollte sich in Zweifelsfällen beraten lassen, bevor derartige Konflikte entstehen. Auch Hausverwaltungen sollten hierüber Bescheid wissen und die Wohnungseigentümer vor unüberlegten baulichen Veränderungen des Sondereigentums warnen. An unseren Standorten in Wasserburg am Inn, Rosenheim und Ebersberg stehen Ihnen unsere erfahrenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für die Lösung solcher und anderer Probleme des Wohnungseigentumsrecht zur Verfügung. Schildern Sie uns Ihr Anliegen, wir kümmern uns darum.