In der Entscheidung des EuGH zu dem Aktenzeichen C-377/17 vom 04.07.2019 wurde ein Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG festgestellt. Der Gesetzgeber reagierte, indem auf der Grundlage des gleichfalls neuen Architektenleistungsgesetzes (ArchLG) 2020 die neue Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, jetzt meist HOAI 2021 genannt, eben keine verbindlichen Festlegungen für das Honorar von Architekten und Ingenieuren mehr trifft. Vor allem gibt es die vom EuGH in dieser Form verworfenen Mindest- und Höchstsätze nicht mehr.
Um eine mit EU-Recht vereinbare Verankerung von verbindlichen Honoraren gesetzlich zu gestalten, hätte es flankierender Maßnahmen bedurft, welche z.B. in verschärften Anforderungen an die Qualifikation derjenigen Personen, welche Planungsleistungen und/oder Überwachungsleistungen am Bau ausführen dürfen, hätten bestehen können.
Diesen Weg wollte der deutsche Gesetzgeber nicht gehen.
Er hat deshalb das Architektenleistungsgesetz (ArchLG) dahin geändert, dass die Bundesregierung ermächtigt wird zum Erlass einer Honorarordnung, welche im Ergebnis eben keine verbindlichen (Mindest-) Honorare festlegt, sondern nur eine Honorarorientierung nach bestimmten Maßstäben bietet, damit die freie Vereinbarkeit von Honoraren bestimmt und noch festlegt, dass für den Fall des Fehlens einer Vereinbarung bestimmte Sätze aus dem Orientierungsrahmen gelten sollen.
Diese Honorarordnung, eben die HOAI 2021, liegt nunmehr vor.
Sie gilt für alle ab dem 1.1.2021 abgeschlossenen Verträge.
Der grundlegende und auch grundstürzende Unterschied liegt darin, dass es eben jetzt keine verbindlichen Mindestsätze oder Höchstsätze mehr für bestimmte Leistungen (Grundleistungen) mehr geben soll, sondern nur noch eine Honorar-Orientierung.
Dies kommt zunächst vor allem in den Bestimmungen der § § 3 und 7 der neuen HOAI zum Ausdruck.
Der Verordnungsgeber musste aber natürlich in allen Bestimmungen der HOAI an allen Stellen, an denen bisher auf verbindliche Honorar-Regelungen wörtlich oder sinngemäß Bezug genommen wird, das ändern und nur noch von Honorar-Orientierung sprechen. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze neue HOAI.
Der untere Teil des Rahmens der Orientierung heißt konsequent auch nicht mehr Mindestsatz, sondern „Basishonorar“, und am oberen Rand heißt es nun „oberer Honorarsatz“ und nicht mehr Höchstsatz, § 2a HOAI.
Mit der Abschaffung verbindlicher Honorarsätze einher geht eine Reihe anderer Regelungen:
Die Geltung der HOAI ist nicht mehr beschränkt auf ArchitektInnen und IngenieurInnen mit Sitz im Inland; also: Es handelt sich nicht mehr um eine „Inländer-HOAI“.
Überall, wo die bisherige HOAI Schriftform vorsah, wurde dies zeitgemäß durch Textform ersetzt; somit können Vereinbarungen wirksam z. B. per E-Mail getroffen werden.
Die bisher in § 15 enthaltene eigenständige Regelung zur Fälligkeit des Honorars wird richtigerweise gestrichen, nachdem im Übrigen ohnehin noch nie eine gesetzliche Ermächtigung des Verordnungsgebers zur Regelung zivilrechtlicher Sachverhalte wie z. B. der Fälligkeit von Forderungen gegeben war und seit 1.1.2018 das BGB mit § 650g Abs. 4 dazu eine für alle Werkverträge am Bau sinnvolle Regelung enthält.
Deshalb wird jetzt einfach auf § 650g Abs. 4 BGB verwiesen.
Nachdem das Honorar nunmehr grundsätzlich frei vereinbar ist, muss sich eine prüfbare Schlussrechnung nach der vereinbarten Honorarregelung richten und für den Auftraggeber verständlich sein, nicht mehr und nicht weniger.
Wenn die Vertragsteile die Höhe des Honorars und die Ermittlung des Honorars nach HOAI vereinbart haben, dann muss natürlich „nach HOAI“ abgerechnet werden.
Ganz wichtig:
Bei der Vereinbarung des Honorars wurde das Kriterium „bei Auftragserteilung“ gestrichen, was den Abschluss von Vereinbarungen wesentlich erleichtert. Jetzt können jederzeit in jedem Stadium der Vertragsbeziehung Honorarvereinbarungen getroffen werden.
Bei Änderungen der Leistung gelten unabhängig von der HOAI auch für Architekten- und Ingenieurverträge die §§ 650b und c BGB.
Der neue § 3 Abs. 1 HOAI könnte so verstanden werden, als ob hier eine Bestimmung zum Inhalt der Leistung bzw. der Leistungspflicht der Architekten und Ingenieure getroffen werden sollte – wofür es natürlich gleichfalls an der gesetzlichen Ermächtigung gebricht.
Man könnte diese Bestimmung fälschlich so verstehen, dass hier eben eine Art gesetzliche Beschreibung der vertraglich geschuldeten Beschaffenheit der Architekten- oder Ingenieurleistung enthalten ist mit der Folge, dass bei Abweichung hiervon die Leistung mangelhaft ist.
Aber:
In der Begründung der HOAI-Änderungsverordnung auf Seite 19 stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie klar, dass dies nicht gemeint und gewollt ist und die betreffende Bestimmung rein auf den Honoraranspruch bezogen werden muss, aber keine Vorgabe zu einer (Mindest-)Leistungspflicht von Architekten oder Ingenieuren trifft.
Hoffentlich halten sich auch die Gerichte an diese Vorgaben und kommen nicht etwa auf die Idee, eine Architektenleistung – nur – deswegen als mangelhaft zu betrachten, weil nicht sämtliche Elemente einer Grundleistung eines Leistungsbildes der HOAI erbracht worden sind.
Der neue § 7 Abs. 2 statuiert eine Hinweispflicht des Auftragnehmers an den Verbraucher-Auftraggeber mit dem Inhalt, dass ein höheres oder niedrigeres Honorar als die in den Honorartafeln enthaltenen Werte vereinbart werden kann.
Unterbleibt dieser Hinweis, erhalten die ArchitektInnen oder IngenieurInnen nur den Basishonorarsatz.
Das aber sollte ArchitektInnen und IngenieurInnen nicht in Sicherheit wiegen (nach dem Motto „Den Basissatz bekomme ich doch immer“):
Ohne dokumentierte Honorarvereinbarung mindestens in Textform ist mit dem seit langem in vielen Rechtsstreiten von Auftraggebern verwendeten Argument der sog. kostenlosen Akquisitionsphase zu rechnen und alternativ mit dem Argument, dass der Architekt oder Ingenieur aufgrund seines überlegenen Wissens für eine wirksame formgerechte Honorarvereinbarung hätten sorgen müssen und die spätere Berufung auf den Basishonorarsatz deshalb treuwidrig sei.
Fazit:
Wer mit der HOAI 2021 umzugehen hat, sei es als Architekt oder Ingenieur, sei es als Bauherr, sollte sich bereits vor Vertragsschluss beraten lassen. Damit lassen sich unangenehme Überraschungen vermeiden. Aber auch dann, wenn es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, helfen wir Ihnen weiter. Hierfür stehen wir Ihnen in unserer Rechtsanwaltskanzlei an deren Standorten in Wasserburg am Inn, Ebersberg und Rosenheim und an allen Gerichten zur Verfügung. Ein erfahrener Rechtsanwalt unserer Kanzlei wird Ihnen weiterhelfen.