Ist eine vorkalkulatorische Preisfortschreibung der richtige Weg?
Die Vereinbarung eines Bauvertrages wirkt – wenn überhaupt – nur auf den ersten Blick einfach, in Wahrheit bringt sie viele Tücken mit sich. Ein Vertrag mit dem Inhalt „Bauen Sie mir ein Haus!“ wäre sicherlich für beide Parteien nicht zielführend, würde doch nichts Konkretes zu Art und Umfang der geschuldeten Leistungen vereinbart. Der Auftraggeber würde sicherlich gerne noch den Zusatz „Bitte möglichst kostengünstig und schnellstmöglich“ hinzufügen, doch ist es natürlich auch damit nicht getan. Der Teufel steckt im Detail.
In der Praxis sind umfangreiche Leistungsvereinbarungen erforderlich. Von besonderer Bedeutung sind die sog. funktionalen Leistungsvereinbarungen, bei denen der Auftraggeber lediglich das „Ziel“ vorgibt, dem Unternehmer jedoch den „Weg“ überlässt. Konkret: Der Bauherr macht klar, welche Funktionen am Ende das Bauwerk erfüllen soll, die detaillierte Ausgestaltung und Lösungsfindung wird jedoch dem Unternehmer überlassen. Diese Vorgehensweise ist allerdings streitanfällig, denn jederzeit können sich Änderungen der notwendigen Leistungen ergeben mit der Folge, dass die zuvor vereinbarte Vergütung als nicht mehr angemessen erscheint.
Um allzu umfangreiche Abrechnungen und bürokratischen Aufwand zu umgehen, werden hierbei in einer Vielzahl der Fälle sogenannte Globalpauschalverträge vereinbart. Diese pauschalisieren die Leistungsbeschreibung sowie die hierfür versprochene Vergütung.
Doch auch dies ist kein Patentrezept: Oftmals werden bei einer Pauschalisierung einzelne, womöglich wichtige Details übersehen. Dies gilt erst recht, wenn sich später eine umfangreiche Veränderung der erforderlichen Leistung ergibt. Da vom Auftraggeber zunächst nur die beabsichtigte Funktion des Werks vorgegeben wird, ist es zunächst das Kalkulationsrisiko des Auftragnehmers, eine entsprechende Vergütung für die seiner Meinung nach erforderlichen Leistungen zu verlangen. Diese Kalkulation basiert zumeist auf Vorgaben des Auftraggebers.
Wie ist jedoch der Fall zu beurteilen, wenn für den Unternehmer umfangreiche Mehrleistungen erforderlich sind, um die geschuldete Funktionalität zu erreichen, und dies auf fehlerhaften oder unvollständigen Angaben des Bestellers bei Vertragsschluss beruht? Kann der Bauherr das Risiko unvollständiger oder falscher Planung auf den Unternehmer abwälzen? Wie ist die Rollenverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer?
Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 08.08.2019, VII ZR 34/18) hatte dies zu entscheiden. Im konkreten Fall ging es um die Angabe einer Estrichstärke, welche als „3 cm, geschätzt“ vorlag, in Wahrheit aber mehr als 4 cm (somit mehr als 30 % zusätzlich erforderliches Material, damit verbunden auch mehr Arbeitsaufwand) betrug.
In dem Urteil weicht das Gericht von einem wichtigen, bisherigen Grundsatz ab: Bisher galt der Satz: „Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ (sogenannte Korbion´sche Preisformel). Der BGH macht vielmehr den Mehrvergütungsanspruch des Unternehmers davon abhängig, ob ein Festhalten an der ursprünglichen Vereinbarung für den Unternehmer noch zumutbar ist. Dies ist wohl dann zu verneinen, sofern es sich um ein „Minusgeschäft“ für den Unternehmer handelt. Der Begriff der „Zumutbarkeit“ ist in der Rechtspraxis jedoch konturlos. Im Einzelnen ist hier Vieles umstritten und oftmals der Rechtsauffassung des einzelnen Richters überlassen. Die Auslegung von Leistungsbeschreibungen in Bauverträgen ist somit um ein Problemfeld reicher geworden.
Aufgrund dieser Rechtsprechung empfiehlt es sich nicht nur für Bauunternehmer auf der einen Seite, sondern auch für Auftraggeber auf der anderen Seite des Verhandlungstisches sorgfältig zu prüfen, welche Vereinbarungen getroffen werden und welche rechtlichen und finanziellen Risiken daraus entstehen. Eine Rolle spielt hier auch, ob die VOB/B in den Vertrag einbezogen werden soll. Erst recht benötigen Parteien eines Bauvertrags Beratung und Vertretung, wenn es zu Streitigkeiten bei der Abrechnung des Bauvorhabens kommt. Nicht selten wird den Parteien eines Bauvertrags erst dann klar, worauf sie sich eingelassen haben, wenn die Schlussrechnung vorliegt.
Mit unseren erfahrenen Rechts- und Fachanwälten stehen wir Ihnen an den Standorten Wasserburg am Inn, Ebersberg und Rosenheim gerne zur Verfügung, wenn es um die Abrechnung von Bauleistungen geht, ebenso für die Beratung, wenn ein Bauvertrag geschlossen werden soll. Nehmen Sie Kontakt auf und lassen Sie sich rechtzeitig beraten!