Viele Unternehmen beschäftigten „freie Mitarbeiter“. Unternehmen verfolgen das Ziel, flexibel zu sein und Sozialversicherungsbeiträge zu sparen. Dabei wird oftmals (bewusst?) verkannt, dass diese rechtliche Beurteilung falsch ist, weil tatsächlich ein Arbeitsverhältnis besteht. Das Schlagwort „Scheinselbstständigkeit“ ist bekannt und die damit verbundenen Risiken für den vermeintlichen Arbeitgeber ebenfalls.
Nach einer Betriebsprüfung kommt dann oft die böse Überraschung: Es müssen enorme Summen an Sozialversicherungsbeiträgen nachgezahlt werden.
Aber es geht hierbei nicht nur um finanzielle Risiken: Nach § 266 a Strafgesetzbuch macht sich strafbar, wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.
Das Risiko für Unternehmen bei der Beschäftigung „freier Mitarbeiter“ ist demnach groß; die tatsächliche Sach- und Rechtslage sollte sorgfältig geprüft werden.
Aber auch für die „freien Mitarbeiter“, die tatsächlich rechtlich als Arbeitnehmer einzustufen sind, bestehen erhebliche finanzielle Risiken, wie eine Entscheidung des fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts vom 26.06.2019, Az. 5 AZR 178/18 zeigt:
Geklagt hat ein Unternehmen, das einen „IT-Mitarbeiter“ von 2001 bis 2009 als freien Mitarbeiter beschäftigt hat zu einem Stundenhonorar von zuletzt 60 Euro pro Stunde zzgl. MwSt. Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses beantragte der „freie Mitarbeiter“ die Statusfeststellung, er sei abhängig beschäftigt gewesen i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV. Diesem Antrag wurde für den gesamten Vertragszeitraum stattgegeben. Der Sozialversicherungsträger forderte bei dem Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge nach.
Der Arbeitgeber seinerseits forderte nun gerichtlich von dem „freien Mitarbeiter“, der rechtlich als Arbeitnehmer einzustufen war, die Erstattung eines Teils der gezahlten Vergütung ein. Im konkreten Fall ging es um insgesamt über 110.000 Euro. Der Arbeitgeber argumentierte, dass der „frei Mitarbeiter“ als Arbeitnehmer deutlich weniger als die im konkreten Fall vereinbarten und bezahlten 60 Euro pro Stunde verdient hätte. Nachdem die erste und zweite Instanz die Klage des Unternehmens abgewiesen hatten, hat das Bundearbeitsgericht geurteilt und dem Unternehmen Recht gegeben:
- Der Arbeitgeber kann aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird und die im Arbeitsverhältnis geschuldete Vergütung niedriger ist als das für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Honorar.
- Eine für freie Mitarbeit individuell getroffene Vergütungsvereinbarung kann in der Regel nicht zugleich für eine Beschäftigung im Arbeitsverhältnis als maßgeblich angesehen werden. Nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte, welche vom Arbeitnehmer darzulegen sind, kann eine Vergütungsvereinbarung für freie Mitarbeiter dahingehend ausgelegt werden, dass sie unabhängig von der Rechtsnatur des vereinbarten Rechtsverhältnisses gelten soll. Fehlt es an solchen besonderen Umständen, ist nach § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung geschuldet.
- Bei der Rückzahlung überzahlter Honorare muss sich der Arbeitgeber im Rahmen des Bereicherungsausgleichs nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB die im Arbeitsverhältnis geschuldete Bruttovergütung und auch die hierauf entfallenden Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag anrechnen lassen.
Aufgrund dieser Rechtsprechung empfiehlt es sich nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Auftragnehmer i. S. v. freien Mitarbeitern sorgfältig zu prüfen, welches Vertragsverhältnis eingegangen wird und insbesondere welche rechtlichen und finanziellen Risiken bestehen.
Sollten Sie diesbezüglich konkrete Anliegen haben, stehen wir Ihnen als Kanzlei mit unseren erfahrenen Rechts- und Fachanwälten an den Standorten Wasserburg, Ebersberg und Rosenheim gerne zur Verfügung. Nehmen Sie Kontakt auf und lassen sich beraten!