Am 01.01.2018 trat das neue Bauvertragsrecht in Kraft. Damit stellt sich folgende Frage:
Kann, soll oder muss seither der beratend tätige Rechtsanwalt den Bauvertragsparteien raten, die VOB/B zu stellen, auch und vor allem mit dem Ziel, die Geltung des neuen gesetzlichen Bauvertragsrechtes zu vermeiden? Also: „Flucht in die VOB/B“? Oder ist gerade die gegenteilige Vorgehensweise der richtige Weg, also: „Abschied von der VOB/B“? An unseren Standorten in Wasserburg am Inn, Rosenheim und Ebersberg steht Ihnen ein qualifizierter, erfahrener Rechtsanwalt unserer Kanzlei zur Verfügung, um mit Ihnen anhand der aktuellen Gesetzeslage und Analyse der Rechtsprechung die für Sie beste vertragsgestaltende Lösung zu entwickeln. Eine solche Beratung durch einen unserer Rechtsanwälte in Wasserburg am Inn, Rosenheim oder Ebersberg würde aufbauen auf den nachfolgenden Überlegungen.
1. Die Angst vor dem Neuen, Unbekannten:
Bei Einführung neuer gesetzlicher Vorschriften ist es Aufgabe des beratend tätigen Rechtsanwalts, zu vermitteln, wie diese neuen Vorschriften auf die jeweils vorgefundenen konkreten Lebenssachverhalte anzuwenden sind. Ein neues Recht bedeutet vermehrte Unsicherheit insofern, als es für die Anwendung der betreffenden neuen Vorschriften noch keine gesicherte höchstrichterliche Rechtsprechung gibt. Allerdings ist „Sicherheit“ in dieser Hinsicht immer eine Illusion, weil auch eine höchstrichterliche Rechtsprechung sich von heute auf morgen ändern kann. Das neue Bauvertragsrecht ist Gegenstand teils herber Kritik; „unausgegoren“ ist noch eine der freundlicheren Formulierungen. Dazu gehört die Überlegung, ob es möglich ist, durch Vereinbarung eines anderen als des gesetzlichen Rechtsrahmens, nämlich der VOB/B, auf einen sichereren, festeren Grund zu gelangen, um dadurch für die jeweils betroffene Vertragspartei im Ergebnis wirtschaftlich vorteilhaftere Regelungen zu finden.
2. Was ist und wozu gibt es die VOB/B?
a) Das gesetzliche (Werkvertrags–)Recht und die Probleme des Bauens
Das Gesetzesrecht und namentlich das gesetzliche Werkvertragsrecht des 1900 geschaffenen BGB war in seiner ursprünglichen Form als Rechtsrahmen für Bauleistungen, welche in aller Regel eben nicht innerhalb weniger Stunden oder wenigstens weniger Tage abgewickelt werden können, aus einer Reihe von Gründen singulär ungeeignet:
- Der punktuelle Leistungsaustausch: Werklohn Zug-um-Zug gegen Abnahme.
Der Unternehmer sieht nach Erledigung seiner Arbeit bei dem vereinbarten Abnahmetermin bzw. der Abnahme zum ersten Mal Geld (oder auch nicht); dafür genießt er bis zu dem vereinbarten Fertigstellung – bzw. Abnahmetermin die Freiheit, zu arbeiten, wann und wo und wie er will. Die Ausführung von Bauarbeiten war im Jahr 1900 nur eine kleine Teilmenge all der Leistungen, für welche das gesetzliche Werkvertragsrecht zur Anwendung kam (einschließlich der Anfertigung nicht vertretbarer Gegenstände, für welche ebenfalls Werkvertragsrecht galt). Für den Schuster, den Schreiner, den Schneider und die anderen freien Handwerksmeister gehörte es zum Selbstverständnis und war Teil des Selbstbewusstseins, dass der Besteller ihnen über Art und Zeit und alle sonstigen Details ihrer Leistungserbringung keine Vorschriften zu machen hatte. - Keine Möglichkeit, den vereinbarten Vertragsinhalt, namentlich das vereinbarte Werk, einseitig zu ändern: Bestellt war bestellt. Verlor der Besteller das Interesse an der bzw. dieser bestellten Leistung, dann gab es nur die Möglichkeit der freien Kündigung gemäß § 649, jetzt § 648 BGB.
- Keine Regelungen zur Handhabung bzw. Lösung von Konflikten zwischen Vertragsschluss und Abnahme. Allenfalls § 642 BGB half an dieser Stelle ein wenig; dort werden Rechtsfolgen für den Fall unterbleibender „Mitwirkung des Bestellers“ geregelt.
- Was für die Herstellung eines Kleiderschranks oder die Anfertigung eines neuen Mantels einen passenden Rechtsrahmen darstellte, war für die Herstellung eines ganzen Hauses offensichtlich unzulänglich. Nachdem der Gesetzgeber keine Neigung zeigte, speziellere Regelungen zur Verfügung zu stellen, mussten die Vertragsparteien selbst Auswege finden. Sie taten dies z.B. durch Vereinbarung von Abschlagszahlungen oder von Terminplänen. Es ist aber mühsam, für jeden neuen Vertrag einen – passenden – Rechtsrahmen von Grund auf neu zu erschaffen, weshalb es für die institutionell organisierten Baubeteiligten nahe lag, ein auf die Durchführung von Bauarbeiten universell anwendbares, jederzeit aus der Schublade zu ziehendes Regelwerk zu schaffen, welches aber dennoch den spezifischen Bedürfnissen des Baugeschehens entgegenkam.
b) Entstehung der VOB
Die Geschichte der VOB/B geht auf das Jahr 1926 zurück; geschaffen wurde sie zuerst vom damaligen Reichsverdingungsausschuss, dem bereits Vertreter der öffentlichen Bauauftraggeber einerseits und der Bauindustrie andererseits angehörten. Die VOB/B in ihren zahlreichen im Laufe der Zeit geänderten Fassungen enthielt Alles, was das gesetzliche Werkvertragsrecht nicht enthielt (die nachfolgend zitierten Bestimmungen sind die der aktuell geltenden VOB/B):
- Bestimmungen zur Änderung der Leistung sowie der Vergütung – §§ 1-3;
- Regelungen zu Abschlagszahlungen und zur Bauzeit – §§ 16 Abs. 1; 5,6;
- Bestimmungen dazu, wie sich die Beteiligten während der Bauzeit zu verhalten haben, einschließlich Regelungen, was geschehen soll oder geschehen kann, wenn die Parteien gegen diese Pflichten verstoßen – §§ 4-6; 8-10.
Zur VOB/B gehören auch spezifische Vorschriften für die Abrechnung und Zahlungen, über die Regelung der Abschlagszahlungen hinaus, §§ 14 und 16. Daneben wurde mit der VOB/B auch der Versuch unternommen, Dinge, welche im gesetzlichen Werkvertragsrecht geregelt waren, für Bauvorhaben besser zu regeln (vor allem detaillierte Bestimmungen zur Abnahme und zu den Mängelansprüchen, §§ 12 und 13). Und schließlich enthält die VOB/B Regeln für den Fall, dass die Parteien sich selbst besondere, im Gesetz nicht vorgesehene, Pflichten auferlegen, namentlich Sicherheitsleistungen und Vertragsstrafen, §§ 17 bzw. 11 und Soll-Bestimmungen für den Fall von Streitigkeiten, § 18 Abs. 2-5.
Hinter allem stand und steht aber das Bedürfnis und der Wunsch, die Dinge anders und besser zu regeln, als es der Gesetzgeber getan hat. Die VOB/B ist kein Gesetz und will die Dinge anders regeln, als es das Gesetz tut.
c) Die VOB/B – eine besondere AGB
Die VOB/B ist in allen ihren Einzelbestimmungen eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB), daran ist nicht vorbeizukommen. Schließlich hat es der Gesetzgeber ausdrücklich so entschieden, zuletzt in § 310 Abs. 1 S. 3 BGB. Eine allgemeine Geschäftsbedingung ist eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, welche von einer Vertragspartei gestellt wird, so steht es in § 305 Absatz 1 S. 1 BGB und so stand es schon im Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG). Die Frage: AGB oder nicht? ist für jede einzelne Vertragsbedingung erneut zu entscheiden, auch wenn sprachlich meist von „AGB“ die Rede ist, wenn ein ganzes Klauselwerk gemeint ist, welches aus einer Vielzahl von einzelnen Regelungen besteht, welche die Vertragsverhältnisse vom Abschluss des Vertrages bis zur Zahlung und der Geltendmachung von Ansprüchen wegen nicht vertragsgerechter Erfüllung regeln sollen. Es kann sich eine allgemeine Geschäftsbedingung unter vielen anderen Regelungen finden, welche keine AGB sind. Die Inhaltskontrolle beschäftigt sich immer mit der einzelnen rechtlichen Regelung. Für die Entscheidung, ob eine AGB vorliegt, ist es des Weiteren unerheblich, ob sich aus mehreren oder gar aus einer Vielzahl von Bestimmungen, welche alle wiederum individuell als AGB zu qualifizieren sind, insgesamt ein ausgewogenes Vertragswerk ergibt. Es ist unerheblich, ob eine Vielzahl von allgemeinen Geschäftsbedingungen insgesamt für die Abwicklung von Leistung und Gegenleistung eines bestimmten Vertragstyps besser geeignet ist als das Gesetz. Es ist weiter unerheblich, wer eine einzelne oder mehrere Bestimmungen, welche von einer Vertragspartei für mehrere Fälle gestellt werden soll respektive sollen, verfasst hat. Die aus vielen Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestehenden Vertragsbedingungen, welche, wie gesehen, insgesamt wieder AGB genannt werden, welche von der Versicherungswirtschaft gestellt werden, stammen von der Versicherungswirtschaft und haben das Ziel, die Vertragsverhältnisse im Sinne der Versicherungswirtschaft zu regeln. Die AGB von Autohändlern stammen von Autohändlern oder den Verbänden von Autohändlern und haben das Ziel, die Vertragsverhältnisse im Sinne der Autohändler zu regeln. Die AGB von Fitnessstudios stammen von den Fitnessstudios oder ihren Verbänden und haben das Ziel, die Vertragsverhältnisse im Sinne der Fitnessstudios zu regeln.
Die VOB/B stammt von einem Gremium, welchem von Anfang an Vertreter der Auftraggeber (nämlich der öffentlichen Auftraggeber) und der Auftragnehmer (nämlich der Bauindustrie) angehört haben (dem Reichsverdingungsausschuss haben auch Vertreter der Gewerkschaften angehört). Somit kann das Ziel dieser AGB nicht darin bestanden haben, die Vertragsverhältnisse im Sinne eines dieser Beteiligten zu regeln, sondern darin, in der Tat für die Abwicklung von Verträgen, wie sie typischerweise zwischen den Beteiligten an diesem Gremium abgeschlossen werden, bessere Regeln zu finden als sie vom dispositiven Gesetzesrecht bereitgestellt werden. All das ändert aber aufgrund der gesetzlichen Definition der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung, welche die VOB/B explizit als AGB qualifiziert, nichts daran, dass die VOB/B in jeder einzelnen Bestimmung eine allgemeine Geschäftsbedingung ist und damit dem Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB im Prinzip unterfällt.
3. Inhaltskontrolle und VOB/B
a) Wann findet Inhaltskontrolle statt? – Aktueller Stand
Die EU-Klauselrichtlinie 93/13/EWG hat die schon mehrfach zitierte Bestimmung des § 310 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 BGB im deutschen AGB-Recht erzwungen, wonach in Verträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern (die Richtlinie beschäftigt sich nur mit Verbraucherverträgen!) jede einzelne vom Unternehmer gestellte Bestimmung der Inhaltskontrolle unterliegt, unabhängig davon, ob Mehrfachverwendung beabsichtigt.
Schon seit dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Klauselrichtlinie ist eine Privilegierung der VOB/B, d.h. eine Ausnahme einzelner oder aller Bestimmungen aus diesem Regelwerk von der Inhaltskontrolle, in Verbraucherverträgen ausgeschlossen (zur richtlinienkonformen Auslegung nach Ablauf der Umsetzungsfrist: EuGH vom 27.06.2000 – C-240/98, Rn. 31 mit weiteren Nachweisen „Oceano Grupo“; dazu, dass es bei jeder einzelnen Klausel darauf ankommt, dass nicht dem von der Richtlinie verfolgten Ziel widersprochen wird: EuGH vom 15.04.2010 – C-511/08 „Heinrich Heine“, zugleich, dass der nationale Gesetzgeber dies nicht zulassen darf; Grundlage: Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 97/7/EG). Demnach kam den Entscheidungen des BGH vom 22.01.2004 zu dem Az. VII ZR 419/02 und vom 24.07.2008 – VII ZR 55/07, BGHZ 178,1 lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Wird die VOB/B gegenüber Verbrauchern gestellt, dann findet immer Inhaltskontrolle statt. Stellt der Verbraucher die VOB/B, dann kann er sich auf diesen Grundsatz nicht berufen; es ist auch für Verbraucherverträge keine Ausnahme von dem Grundsatz gerechtfertigt, dass derjenige, der bestimmte Vereinbarungen stellt, sich nicht auf die Unwirksamkeit der von ihm selbst gestellten Vertragsbedingungen berufen kann. Siehe dazu OLG Naumburg vom 10.05.2017 – 5 U 3/17 mit Anm. Bolz in IBR-online 2018, 2300: Hier war der Verwender nicht ein Verbraucher, aber ein Unternehmer hatte von sich aus sozusagen in vorauseilendem Gehorsam ihm nachteilige Bestimmungen, hier die vereinfachte Abnahme gemäß § 12 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B, in den von ihm vorgelegten Formularvertrag aufgenommen. Zur Inhaltskontrolle von Verträgen zwischen Unternehmern hat das EU-Recht nichts zu sagen. Diese Inhaltskontrolle ist durchaus eine deutsche und keineswegs unumstrittene Besonderheit (vgl. dazu die Untersuchung von Leuschner/Meyer, AGB-Recht für Verträge zwischen Unternehmen, Abschlussbericht vom 30.09.2014 im Auftrag des Bundesjustizministeriums, www.bmjv.de), aber in Deutschland ist sie nun einmal Gesetzesrecht. Es gab vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform, mit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform und wiederum mit dem mehrfach zitierten § 310 Absatz 1 S. 3 BGB verschiedene gesetzliche Regelungen, welche eine so genannte (Teil-) Privilegierung der VOB/B (wegen ihres im wesentlichen ausgewogenen Gesamtcharakters?) anstrebten. Nach der jetzigen Rechtslage eröffnet jede noch so geringfügige Abweichung vom gestalterischen Inhalt der VOB/B die Inhaltskontrolle bezüglich jeder einzelnen ein Recht oder eine Pflicht eines Vertragspartners regelnden Bestimmung der VOB/B; hierzu: BGH vom 10.05.2007 – VII ZR 226/05, BauR 2007, 1404 (in dieser Entscheidung wurde auch klargestellt, dass von diesen Grundsatz nicht abgewichen wird, wenn Verwender der VOB/B ein öffentlicher Auftraggeber ist). Im Ergebnis führt dies dazu, dass es bei lebensnaher Betrachtung auch in Unternehmerverträgen immer zur Inhaltskontrolle jeder einzelnen Bestimmung der VOB/B kommt – eben deshalb, weil diese in der wirklichen Welt (“im richtigen Leben“) nie ohne jede Abweichung vereinbart wird. Dabei reicht auch eine Abweichung von einer Bestimmung der VOB/C mit rechtlichem Inhalt, z.B. eine Bestimmung zu der Frage, was mitvergütete Nebenleistungen sind oder wie bestimmte Leistungen abgerechnet werden, denn die VOB/C ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 bei Vereinbarung der VOB/B ebenfalls Vertragsbestandteil: Beispiel: Das OLG Stuttgart hat in einer Entscheidung vom 02.02.2008 zu dem Az. 2 U 84/07 (veröffentlicht in IBR 2008, 635) entschieden, dass sog. Übermessungsklauseln AGB sind; zwar ging es in dieser Entscheidung um eine selbst formulierte Übermessungsklausel, nicht um eine, welche sich aus der VOB/C ergibt, aber eine Übermessungsklausel hat entweder einen rechtlichen Gehalt und unterliegt der Inhaltskontrolle oder nicht.
Das führt zu folgendem Zwischenergebnis: Wird die VOB/B gegenüber Verbrauchern gestellt, findet immer isolierte Inhaltskontrolle statt; wird sie gegenüber Unternehmern gestellt, fast immer, jedenfalls wird sich in der Praxis auch ein Unternehmer auf Inhaltskontrolle berufen, wenn er mit seinem Vertragspartner in Streit geraten ist.
b) Die Folgen der Inhaltskontrolle der VOB/B
Diese sind schnell beschrieben: Derjenige, der die VOB/B stellt, hat die schlechteste aller Welten: Ausgehend von dem bereits angesprochenen Grundsatz, dass Niemand sich auf die Unwirksamkeit von Vertragsklauseln berufen kann, welche er selbst gestellt hat, werden alle Bestimmungen der VOB/B kassiert, welche in Abweichung von einem gesetzlichen Leitbild den Vertragspartner schlechter stellen, und alle Bestimmungen, welche den Verwender gegenüber dem dispositiven Gesetzesrecht schlechter stellen, bleiben stehen. Somit: Eine „VOB/B mit Inhaltskontrolle“ ist eine AGB, welche nur den Verwender benachteiligt.
4. Ändert sich durch das neue gesetzliche Bauvertragsrecht die Inhaltskontrolle der VOB/B?
a) Der Gesetzgeber zeigt der VOB/B die kalte Schulter:
Der Gesetzgeber hat sich in Kenntnis der VOB/B und dessen, was in der VOB/B geschrieben steht, dafür entschieden, einige spezielle Probleme des Bauvertragsrechts mit einer neuen gesetzlichen Regelung anzusprechen. Diese sind namentlich:
- Das Problem des Erfordernisses von Änderung der Leistung und Anpassung der Vergütung;
- das Problem der Behandlung schwerwiegender Vertragsverstöße oder anderer, den Vertragszweck gefährdender Umstände;
- das Problem, dass der Besteller den Unternehmer durch Verweigerung der Abnahme in einer rundum nachteiligen Situation festhalten kann;
- das Problem einer für den Auftraggeber verständlichen und prüfbaren Abrechnung der gesamten Bauleistung und des dafür verlangten Werklohnes.
In ausnahmslos allen Fällen hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, nicht nur nicht die Regelungen der VOB/B zu diesen Punkten zu übernehmen, sondern eine völlig neue, eigenständige Regelung im Gesetz zu finden. Namentlich hat der Gesetzgeber auf Empfehlung des 6. Ausschusses des Deutschen Bundestages, Bundestagsdrucksache 18/11437, von der während des Gesetzgebungsprozesses heftig kritisierten so genannten Mini-Privilegierung (in § 650 c Abs. 4 E) der Bestimmungen der § § 1 Abs. 3 und 4; 2 Abs. 5 und 6 VOB/B Abstand genommen. Damit stellt sich die Frage, ob alle diese oder einzelne dieser Regelungen gesetzliche Leitbilder darstellen, also grundsätzliche Überlegungen des Gesetzgebers mit Gerechtigkeitsinhalt, soweit es um den Ausgleich der Interessen der Bauvertragsparteien geht.
b) Die Entscheidung des Gesetzgebers hinsichtlich der Änderung der Leistung und der Anpassung der Vergütung
Die Thesen der Arbeitskreise I-XII des 7. Deutschen Baugerichtstages zu der Frage, ob Abweichungen z.B. von den Leistungsänderungsrechten des § 650b BGB und der Vergütungsanpassung gemäß § 650 c BGB einschließlich des Rechtes der Abschlagszahlung einer Inhaltskontrolle standhalten und damit auch die abweichenden Regelungen in der VOB/B, vermitteln einen Eindruck davon, wie umstritten diese Themen sind (C und D; Thesen 1B und fortfolgende auf Seiten 15 ff.). Es stellt sich folgende Frage: Wie sieht denn nun die Entscheidung des Gesetzgebers zur Frage des Rechtes des Bestellers aus, eine Änderung der vertraglich einmal vereinbarten Leistung anzuordnen und damit den Unternehmer zu zwingen, eine geänderte Leistung auszuführen (möglicherweise sogar mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes, § 650d BGB)? Nach dem Wortlaut des § 650b Abs. 1 Nr. 1 BGB kann der Besteller jede denkbare Änderung der vertraglich vereinbarten Leistung vom Unternehmer verlangen. Dieser Wortlaut wird jedoch in der Praxis sicher nicht zur Durchsetzung von Forderungen folgender Art führen: „Statt der schlüsselfertigen Herstellung eines Mehrfamilienhauses in Hamburg möchte ich jetzt eine Fabrikhalle in Bottrop!“ Oder: „Statt der Herstellung der Baugrube mit Verbau und Wasserhaltung möchte ich jetzt die Ausführung der Dachdeckerarbeiten bei dem Bauvorhaben „Ärztehaus“ in ….“ Denn: Das Verlangen nach einer Änderung des vereinbarten Werkerfolges muss sich auf etwas beziehen, was in einem Zusammenhang steht sowohl mit dem zwischen den Parteien nun einmal abgeschlossenen einvernehmlichen Vertrag als auch mit den Leistungen, welche der Unternehmer in diesem Vertrag freiwillig übernommen hat. Damit kommt es darauf an, wie der Begriff der „Zumutbarkeit“ gemäß § 650b Abs. 1 S. 2 BGB zu verstehen ist. Aus der These 4A des Arbeitskreises Ib des 7. Deutschen Baugerichtstages (Seite 15) ergibt sich zutreffend, dass die Zumutbarkeit in der zitierten Vorschrift und die Zumutbarkeit gemäß § 275 Abs. 2 und 3 BGB (in Abs. 3 ist ausdrücklich das Wort „zumutbar“ enthalten) unterschiedlichen Begriffsinhalt haben. Immerhin gibt S. 3 des § 650b Abs. 1 BGB den Hinweis, dass auch und gerade betriebsinterne Probleme, welche durch die Ausführung der geänderten Leistung hervorgerufen werden können, ein Grund für die Unzumutbarkeit sind. Wenn der Unternehmer sich durch die Ausführung der geänderten Leistung in die Gefahr begeben muss, gegenüber einem anderen Vertragspartner vertragsbrüchig zu werden, dann ist die Ausführung unzumutbar: Der Gesetzgeber hat sich wohl nicht vorgestellt, dass der Unternehmer wegen der Ausführung einer Leistung, zu welcher er sich nicht freiwillig verpflichtet hat, einen anderen Vertragspartner benachteiligen muss, gegenüber dem er sich zur Ausführung einer Leistung freiwillig verpflichtet hat, und der sich darauf verlässt, dass diese Leistung vertragsgerecht und pünktlich ausgeführt wird. Denknotwendig kann es auch nicht darauf ankommen, dass ein Nachteil schon eingetreten ist, sondern es kann nur darauf ankommen, dass die Gefahr eines Nachteils begründet werden kann. Ein anderes Thema ist die Frage, ob dem Unternehmer zugemutet werden kann, wegen der Ausführung der geänderten Leistung bei dem betreffenden Bauvorhaben oder bei einem anderen einen Nachunternehmer zu beauftragen. Auch hier muss die Antwort lauten: Nein! Dabei dürfte die Frage der Kosten des Nachunternehmers gar keine Rolle spielen, denn diese müsste der Unternehmer über § 650c Abs. 1 S. 1 BGB bei seinem Besteller berechnen können (Muss er sich dabei auf eine Diskussion einlassen, dass vielleicht ein billiger Nachunternehmer hätte gefunden werden können?), aber: Warum soll der Unternehmer erstens das Risiko eingehen, dass er weniger Kontrolle über eine rechtzeitige und mangelfreie Leistung hat und zweitens die bürgenähnliche Haftung dafür übernehmen, dass „sein“ Nachunternehmer und möglicherweise noch weitere die Vorgaben des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) beachten? Somit: Ein konkret möglicher Nachteil, welchen der Unternehmer darzulegen hat, führt zur Unzumutbarkeit. Hierzu auch die Begründung des Regierungsentwurfes auf S. 60 (BT-Drs. 18/8486), wonach bei einem Generalunternehmer hinsichtlich der Frage der Unzumutbarkeit eine Gesamtbetrachtung unter Einschluss der Nachunternehmer angezeigt ist. Der interessantere Tatbestand, auch im Hinblick auf die uneinheitliche Rechtsprechung zu den Folgen fehlerhafter Leistungsbeschreibungen seitens des Auftraggebers, ist § 650b Abs. 1 Nr. 2 BGB: Hier geht es genau um den Fall, dass ein vollständiges Abarbeiten einer wie auch immer gearteten Leistungsbeschreibung, welche Vertragsinhalt geworden ist, nicht zu einer gebrauchstauglichen Leistung nach Maßgabe der Zwecke, wie sie im Vertrag ihren Niederschlag gefunden haben, führt. Kann der Unternehmer nun diese Pflicht abbedingen dahingehend, dass er auch hier eine geänderte Leistung nur ausführen muss, wenn diese zumutbar ist? Gegenargument: Er hat doch die Gebrauchstauglichkeit versprochen für den vertraglich vorausgesetzten Zweck! Wie sieht es mit der Anpassung der Vergütung aus: Kann der Auftraggeber formularmäßig bestimmen, dass der Unternehmer eine geänderte Leistung ausführen muss ohne zusätzliche Vergütung, auch wenn die fehlerhafte Leistungsbeschreibung auf einer Planung des Auftraggebers beruht? Kann der Unternehmer formularmäßig bestimmen, dass er auch dann eine zusätzliche Vergütung bekommt, wenn die fehlerhafte Leistungsbeschreibung aus seiner Feder stammt? Kann der Besteller bestimmen, dass dem Unternehmer bei der Änderung der Vergütung das Wahlrecht gemäß § 650c Abs. 1 und 2 BGB genommen wird? Es spricht sehr viel dafür, dass der Gesetzgeber in §§ 650b und 650c BGB grundlegende Entscheidungen getroffen hat, welche einen angemessenen Ausgleich der Interessen des Bestellers und des Unternehmers herbeiführen sollen. Vor allem betrifft das die Frage, ob der Unternehmer gezwungen werden kann, eine andere Leistung auszuführen als diejenige, zu welcher er sich freiwillig vertraglich verpflichtet hat. Und die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Werklohn bei einer solchen Leistungsänderung anzupassen ist.
c) Leistungsänderung und Vergütungsanpassung nach BGB und nach VOB/B bei Stellung der VOB/B durch den Besteller (Auftraggeber)
Für den Fall, dass ein Auftraggeber die VOB/B stellt und diese der Inhaltskontrolle unterliegt, ergibt sich folgendes Bild: Etwas Besseres kann dem Auftragnehmer (Unternehmer) gar nicht geschehen; diesem bietet sich jetzt ein herrliches à la carte-Menü: Soweit Bestimmungen der VOB/B den Auftragnehmer schlechter stellen, wenn es um die Frage geht,
- ob der Unternehmer eine andere Leistung ausführen muss als sie im Vertrag definiert ist;
- ob er dafür mehr Geld bekommt;
- und wie dieses Mehr an Geld berechnet wird,
kann der Auftragnehmer immer die für ihn günstigste Regelung aus VOB/B und Gesetz heraussuchen.
5. Fazit: Statt „Flucht“ in die VOB/B Abschied von der VOB/B!
Die vermeintliche Flucht in die VOB/B ist also eine Flucht, welche keinen Ausweg bietet. So gut oder schlecht das neue gesetzliche Baurecht sein mag, es ist geltendes, wenn auch dispositives Gesetzesrecht. Dagegen bedeutet das Stellen der VOB/B bei Eröffnung der Inhaltskontrolle für denjenigen, der die VOB/B stellt, einen prinzipiellen strukturellen Nachteil, indem er seinem Vertragspartner ein à la carte-Menü in die Hand gibt, in dem sich der Vertragspartner jeweils das für ihn (!) Schönste aus VOB/B und Gesetz heraussuchen kann. Allerdings hat der Ge-setzgeber die haushaltsrechtlichen Bestimmungen nicht geändert, wonach öffentliche Auftraggeber die VOB/B ausdrücklich anwenden müssen. Das ist ein Wertungswiderspruch, der den öffentlichen Auftraggebern nicht ver-borgen geblieben ist. Dazu wird vorgeschlagen, die VOB/B tatsächlich ohne jede Abweichung zur Vertragsgrund-lage zu machen, einschließlich VOB/C, wie gesehen. Die beiden größten „Kröten“, die damit allerdings der öffentli-che Auftraggeber widerspruchsfrei „schlucken“ muss, sind die verkürzte Mängelhaftungfrist und die Bestimmun-gen zur fiktiven Abnahme. Beides sind gravierende Nachteile, welche die öffentlichen Haushalte belasten werden, wenn wegen der Verjährung von Mängelansprüchen die öffentliche Hand in erheblichem Umfang Sanierungskos-ten selbst tragen muss. Bei all dem ist zu beachten, dass die Qualität der VOB/B ist so untadelig nicht ist. Hierzu im Einzelnen die fundierte Kritik z.B. von Kniffka in BauR 2016, 1533 und in seinem Beitrag zum Zweiten Deutschen Baugerichtstag; zwei weitere Punkte sind hinzuzufügen: § 1 Abs. 3 VOB/B betrifft genau das hier behandelte Prob-lem der Anordnung einer geänderten Leistung. Bis heute ist aber umstritten, was unter einem Bauentwurf und ei-ner Änderung desselben zu verstehen ist. Eine Bestimmung davor, in § 1 Abs. 2 VOB/B, ist die berühmt-berüchtigte Aneinanderreihung von sechs unterschiedlichen Dokumenten, welche die vertraglich geschuldete Leistung definieren sollen, enthalten. Dass diese sechs unterschiedlichen Dokumente Widersprüche enthalten, ist in der Praxis des Baugeschehens sicher, und genauso sicher ist, dass die „Nacheinander-Regelung“ dieser ver-schiedenen Definitionen diese Widersprüche nicht ausräumen kann. Tatsächlich ist noch ganz unabhängig von der Frage „VOB/B ja oder nein?“ ausschlaggebend für die Qualität eines Bauvertrages die sorgfältige Erfüllung zweier Aufgaben der Vertragsparteien:
- Die Beachtung des Grundsatzes: Erst planen, dann bauen!
- Die Erarbeitung einer über einstimmenden, gut dokumentierten, auch für Dritte verständlichen Definition der vertraglich geschuldeten Bauleistung.
Das ist schwer. Wenn sich die Vertragsparteien der Erfüllung dieser Aufgaben nicht unterziehen wollen, dann können sie die daraus zwingend entstehenden Konflikte durch keine AGB und auch nicht durch die VOB/B lösen. Der Rat eines erfahrenen Rechtsanwalts ist erforderlich, um hier an das gestellte Ziel zu gelangen. An unseren Standorten in Wasserburg am Inn, Rosenheim und Ebersberg beraten wir Sie hierzu gerne.